An dieser Stelle folgt ein weniger schönes Thema, eine Erzählung von dem Tag, an dem ich für eine ganze Weile aus meinem bunten Einhorn-Trallala gerissen wurde, an einem Abend im September 2022, der so gemütlich begonnen hatte und mit einer Wärmflaschen-Verbrennung endete.
Pffffffffffffft. An das lange dumpfe Pfeifen erinnere ich mich noch, als wäre es gerade erst vorhin passiert, eine Gänsehaut macht sich dann langsam breit, dieses Gefühl, dass gerade “irgendwas ganz Schlimmes” mit meinem Körper passiert, ist dann sofort wieder da, der Bauch zieht sich zusammen, Angst. Ich schließe die Augen, kneife sie fest zusammen, Stirnrunzeln, ich schüttle den Kopf und … weg damit. Ich will das nicht mehr fühlen, nie mehr.
Eine Verbrennung zweiten und dritten Grades hat mir meine letzte Wärmflasche beschert, am Oberschenkel und am Intimbereich, nur fünf Zentimeter neben dem Schambereich. Später im Krankenwagen erfahre ich: Wäre der Schambereich betroffen gewesen, hätte man mich in eine Spezialklinik fahren müssen. Zwei Zentimeter weiter rechts. Glück gehabt, ich lache, ja, klar, Glück gehabt. Und deshalb möchte ich hier darüber schreiben. Ich will, dass es die Welt erfährt. Erfährt, was mit einer Wärmflasche passieren kann, wenn sie da so gemütlich an den Füßen, auf dem Unterleib, auf dem Bauch unserer Kinder liegt. Auch Fotos von einem Teil der Verbrennung und der Wundbehandlung zeige ich – ganz unten, falls es jemand sehen möchte.
Es begann mit leichten Unterleibsschmerzen
Unterleibsschmerzen habe ich an diesem Samstagabend im September, nix Schlimmes, ganz leichte Regelschmerzen, ich will gleich ins Bett, habe am nächsten Morgen Frühdienst im Krankenhaus. Es ist wie immer das Universitäts-Krankenhaus, mein Arbeitgeber, bei dem ich am nächsten Tag tatsächlich noch auftauche. Allerdings: Statt auf der Überwachungsstation als Krankenpflegerin komme ich als Patientin in die Notaufnahme.
“Soll ich Dir noch eine Wärmflasche machen?”, fragt der Mann. Es ist der erste leicht kühle Abend diesen September, die Wärmflasche wird mich entspannen, ich freue mich, lege mir die heiße Flasche links auf den Unterbauch Richtung Intimbereich, da eben, wo die Eierstöcke ziehen, ihr wisst schon.
Pffffffffffffft.
Ein kurzes Ploppen, pffffffffffffft.
Was ist hier los?
Ich schreie.
Es folgen Sekundenmomente, die mit heute wie lange Minuten vorkommen.
Ein heißer Schwall Wasser brennt sich durch die Schlafanzughose, einen Schmerz spüre ich nicht, aber das ist ein Gefühl, ein nie dagewesenes Gefühl, dass da gerade irgend etwas ganz, ganz Schlimmes mit meinem Körper passiert, etwas schmilzt, etwas zieht sich zusammen, es geht gerade etwas kaputt, das fühle ich.
Ich schreie laut, so laut wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ich springe auf. Renne schreiend ins Badezimmer, im Augenwinkel sehe ich den Mann in der Küchentüre stehen, “Hilfe! Die Wärmflasche ist geplatzt!”, schreie ich, renne in die Dusche, der Sohn putzt sich im Bad gerade die Zähne, ich sehe im vorbeirennen die Angst in seien Augen, er weint, seine Mutti schreit weiter.
Ich dusche kalt, lasse das Wasser über meine Kleider fließen, der Schmerz beginnt, ich weine, “eine Schere, ich brauche eine Schere!”, schneide mir die Hosen auf, ein Blick auf meinen Oberschenkel, die Haut hängt in Fetzen in alle Richtungen. Dann knicke ich ein, der Schmerz zu stark, setze mich in die Wanne, das Wasser läuft weiter, Kreuz und Quer.
Schmerzskala 15. 20. 100.
Schmerzskala denke ich, “von 1-10, wenn 10 der stärkste Schmerz ist, den Sie sich vorstellen können”, fragt die Krankenpflegerin in mir. 15. Ich halte es nicht aus, ich habe Angst, Mann und Sohn schauen mich an, schauen weg, schauen wieder hin, der Sohn weint, “wird die Mama wieder gesund?”.
Der Schmerz wird stärker, immer stärker, 20, 100. Ich kann mich nicht beherrschen, zum ersten Mal in meinem Leben beherrsche ich mich nicht, ich schreie. “Rufe einen Krankenwagen, ich halte den Schmerz nicht aus!”
CUT.
Einatmen. Ausatmen.
Das.
Das ist es, was mit einer Wärmflasche passieren kann, wenn sie da so gemütlich an den Füßen, auf dem Unterleib, auf dem Bauch unserer Kinder liegt. Das ist es, was mir passiert ist. Ich bin Wärmflaschen-Jüngerin, seitdem ich denken kann, gehört die Wärmflasche zu meinen Herbst-Winter-Frühlingstagen. Ich kann mir ein Leben ohne heiße Wärmflasche an den Füßen nicht vorstellen. “Du darfst da doch kein kochendes Wasser einfüllen”, macht man mir später kollektiv den Vorwurf. “Und Du hast bestimmt die Luft nicht rausgelassen, damit der Druck weg ist!” “Wie alt war denn die Wärmflasche?” “Woher hattest Du denn die Wärmflasche?”
STOP!
Ich weiß, dass man bei solchen Geschichten, die einen selbst betreffen könnten, erstmal nach einer Begründung sucht. Ihr braucht eine Begründung, warum euch das nicht passieren wird. Warum ihr eure Wärmflasche weiter verwenden könnt. Warum mir das passiert ist. “Ach so, das hat sie gemacht, na das mache ich ja so nicht.” Nein, man sollte kein kochendes Wasser in eine Wärmflasche füllen. Die Wärmflasche war eine Markenflasche in Einhorn-Hülle. Sie war maximal fünf Jahre alt. Vielleicht wäre es nicht passiert, wenn das Wasser nur lauwarm gewesen wäre.
Aber …
Wollen wir das wirklich? Uns und unseren Kindern so ein Ding auf den Bauch legen, das tatsächlich platzen kann? auch wäre es nur lauwarmes, leicht erhitztes Wasser, das über eine Kinderbrust läuft…? Und weißt Du denn, wie heiß Dein Wasser wirklich ist?
Die Wärmflasche der Freundin ist auch geplatzt
Kleiner Funfact am Rande: Drei Tage später, ich liege gerade auf de Sofa und versuche die Wundheilung der Brandverletzung zu fördern, schreibt mir meine Freundin eine Whatsapp-Nachricht mit Foto. Sie hat ihre Wärmflasche aus Angst nur mit 60 Grad heißem Wasser (es gibt Wasserkocher, die das anzeigen) befüllt. auf dem Weg ins Wohnzimmer ein pffffffffffffft. Ihre Wärmflasche platzt, fällt auf den Boden. Nein, das habe ich nicht erfunden, sie wird sich vielleicht in den Kommentaren melden.
Zurück.


Ich schreie weiter, auch auf der Straße, während der Krankenwagen mit Blaulicht vor unserer Türe steht, sich aber die Türe der Sanitäter einfach nicht öffnet. “Kommt bitte schnell, ich halte es nicht mehr aus, die Schmerzen, schnell!” Ich liege im Rettungswagen, der Kerl spritzt mir Ketanest intravenös, krasses Zeug, ich entspanne, lache, habe einen super Trip, werde labernd in die Notaufnahme des anliegenden Privatkrankenhauses gefahren.
Dort hat man keine Ahnung, was zu tun ist, der Pfleger schaut mich mit großen Augen an, die Pflegerin lässt mich mit einer Drohung alleine, “das wird noch ganz, ganz schlimm werden, in ein paar Tagen wenn dann die Kruste kommt, oh je, damit werden Sie noch viel zu tun haben.”
Kruste kam mit der modernen Wundbehandlung am Uniklinikum nie. Am nächsten Tag bekomme ich in der dort von Plastikern an einer Stelle der Verbrennung Suprathel-Hautersatz aufgetragen. Die nächsten Tage muss ich täglich, danach alle zwei Tage, alle drei Tage Verbände wechseln. Die Haut wächst langsam zu, Glück gehabt, ich lache wieder, jaja, Wärmflaschenglück.
Wer mehr wissen will: Die Details der Heilung habe ich immer mal wieder mit Storys auf Instagram dokumentiert und in meinem Instagram-Profil unter dem Story-Highlight “Verbrennung” abgespeichert (hier, klick, unter dem Profilbild auf dem entsprechenden Highlight). Die Verbrennungswunde Grad 2a, 2b, an kleinen Teilen Grad 3 ist inzwischen natürlich geschlossen, rote Flecken erinnern mich. Und die kalten Füße jeden Abend im Bett.
“Verklag sie doch”
Manche Menschen finden, ich sollte “die Wärmflaschenfirma verklagen”. Der Plastiker hat mir erzählt, er musste tatsächlich schon Gutachten schreiben, weil Wärmflaschenopfer das tatsächlich gemacht haben, das Verklagen einer Firma, die dies gefährlichen Geräte auf den Markt bringt. Ich erinnere mich: Als ich während meiner Ausbildungszeit auf der plastischen Chirurgie unterwegs war, kamen viele Menschen mit Wärmflaschenverbrennungen, manche davon beim Eingießen auf der Hand, bei anderen hatte sich die Wärmflasche auf dem Dekolletee geöffnet, kein kochendes Wasser, aber sau heiß, trotzdem eine Verbrennung, autsch. Andere Plastiker haben mir damals erzählt, dass regelmäßig Kinder in der Notaufnahme landen, die durch Wärmflaschen verbrüht wurden.
Aber verklagen. Das hilft mir nicht weiter. Es bringt mir, da bin ich ganz realistisch, nur ärgerliche Stunden, die ich lieber für schöne andere Dinge nutze.
Einen guten Wärmflaschen-Ersatz habe ich leider trotz allem noch nicht gefunden, ich denke es gibt ihn auch nicht. Kirschkernkissen halten zu kurz und sind nicht warm genug, elektrische Heizkissen haben Stromkabel, die will ich abends nicht im Bett haben, und ich meine, ihr kennt sie, diese Geschichten von Wohnungsbränden, nachdem Heizkissen in Brand geraten sind. Also nein, nicht für mich. Es gibt da ja diese neuen Heizkissen in Wärmflaschenform, die mit Akku funktionieren, sie werden nicht sehr heiß, aber warm, die werde ich mal ausprobieren. Mal schauen.
Versteht mich nicht falsch, seid bitte nicht sauer, ich will euch eure Wärmflasche nicht vermiesen. Aber ich wünsche mir, dass ihr alle wisst, was passieren kann. Mehr will ich nicht.










Die Brandwunde in Bildern
Hier zeige ich eine der verschiedenen Brandwunden. Es gab noch zwei weitere – eine weiter oben am Bauch und eine im Intimbereich zwei Zentimeter neben dem Schambereich, was ich natürlich nicht zeigen möchte.
So hat sich die Brandwunde auf dem Oberschenkel innerhalb von zwei Wochen und danach entwickelt. Ich finde die Haut ist ein menschliches Wunder. Beim Klick auf die Bilder kommen größere Ansichten.
Scrollt jetzt nicht weiter nach unten,
wenn ihr keine Hautfetzen sehen wollt.















